Markus Brandis

La maniera tedesca

Eine Studie zum historischen Verständnis der Gotik
im Italien der Renaissance
in Geschichtsschreibung, Kunsttheorie und Baupraxis

Der Baustil der vielen gotischen Gebäude in Italien wurde zur Zeit der Renaissance als Maniera tedesca, als der "deutsche Stil" bezeichnet. In fast allen Fällen war diese Bedeutung negativ gemeint. Man hatte sich ganz der neuen Baukunst verschrieben, die sich an der wieder entdeckten Antike orientierte: Es wurden Rundbögen statt Spitzbögen verwendet, Säulen statt der Fialen und Giebel anstelle von Wimpergen. Am Menschen gemessene Proportionen gliederten nunmehr Türme und Fassaden, die zuvor in den Himmel gewachsen waren.

Das Buch beginnt mit dem ersten Erwachen eines historischen Bewusstseins im 13. Jahrhundert: Francesco Petrarca, Giovanni Villani und Leonardo Bruni gaben in ihren Schriften Zeugnisse von der anbrechenden neuen Zeit und verdammen gleichzeitig das "finstere" Mittelalter. Auf diesem Geschichtsverständnis errichteten die Theoretiker des Quattrocento ihre Systeme, die die Architektur der Antike auch in ästhetischer Hinsicht über die gotische Bauweise stellten. In den Traktaten eines Lorenzo Ghiberti, Leon Battista Alberti und Antonio Filarete finden sich zahlreiche Äußerungen über die Gotik und das Mittelalter, die hier zum ersten Mal zusammengestellt und vollständig zitiert werden. Der Autor hat dabei die oft nur wenig verständlichen frühen italienischen und mittellateinischen Texte allesamt mit Übersetzungen versehen und der deutschen Renaissanceforschung somit auch eine wich-tige Quellensammlung zur Verfügung gestellt.

Im 16. Jahrhundert erfuhr die italienische "Gotikfeindschaft" ihren Höhepunkt. Doch was geschah mit den noch unvollendeten Großbauten wie dem Mailänder Dom oder S. Petronio in Bologna? Leonardo da Vinci, Donato Bramante, Raffael, Cesare Cesariano und Sebastiano Serlio widmeten sich in Gutachten und Schriften konkreten Bauproblemen. Die größte Bauaufgabe der Zeit wird hier anhand der spannenden Geschichte von S. Petronio beispielhaft vorgeführt. So setzte sich die selbstbewusste Bürgerschaft Bolognas gegen alle Vorschläge der berühmtesten zeitgenössischen Architekten - wie Peruzzi, Vignola, Giulio Romano, Andrea Palladio - für die Beibehaltung des gotischen Stils durch. Der neue Renaissancestil versinnbildlichte Rom, das Papsttum und damit Macht des Kirchenstaates, der Bologna beherrschte. Die Maniera tedesca wurde zum Symbol der einstigen Freiheit der Kommune im Mittelalter, für die Bolognas Bürger auch mit dem künstlerischen Mittel des Baustils kämpften.

Eine wichtige neue Studie zur Kunst- und Kulturgeschichte der italienischen Renaissance sowie zur Stilgeschichte in der Zeitenwende und gleichzeitig eine umfangreiche Quellensammlung. Gefördert von der Studienstiftung des deutschen Volkes. Mit ausführlichem Quellen- und Literaturverzeichnis sowie 17 Abbildungen.


1. Auflage, Weimar, VDG, 2002 - 400 Seiten, 17. Abbildungen, Broschur

Zu Beziehen durch den VDG Weimar

Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften

www.vdg-weimar.de

EUR 30,--